(Mitteilungen des Vereines für Höhlenkunde in Obersteier 4(2) 1985 pp 26-27)
Nachdem die Redaktion über ein Jahr vergeblich versucht hat, von den Hauptakteuren (Tauchern) einen Bericht über dieses sehr aufwendige Unternehmen zu erhalten, erlaube ich mir, da Dokumentation doch eine der Hauptaufgaben unserer Höhlenkundlichen Tätigkeit ist, ein paar Zeilen über die Ereignisse zu verlieren.
Am 5 August 1984 wurde von Mitgliedern unseres Vereines eine Tauchaktion in der Liager-Höhle bei Altaussee unternommen. Ziel des Einsatzes war es, in Quelltopf, dessen Tiefe auf 16 Meter gelotet worden war, zu tauchen, und somit über seine Tiefe, Gestalt und etwaige Fortsetzungen Kenntnis zu erhalten. Es ist in einer "zeitweilig aktiven Wasserhöhle", wie sie die Liager-Höhle darstellt, sehr wichtig, die äußeren Umstände - sprich Wetter und Schneelage - zu beachten. Schon zu Pfingsten 1984 war diese Aktion geplant gewesen, wurde aber abgesagt, weil man befürchten mußte, daß durch die Schneeschmelze eine überraschende Aktivität eintreten könnte. So einigten wir uns auf diesen Termin und begannen auch gleich mit umfangreichen Vorbereitungsarbeiten.
Um nicht die Taucher allein in die Höhle schicken zu müssen, sollte ser Wasserspiegel im "Ostsiphon" gesenkt werden, sodaß auch die Begleitmannschaft und das Reporterteam (ORF-Fernsehen und Bayerischer Rundfunk) samt allen empfindlichen Geräten an Ort und Stelle gelangen konnten. Dies geschah mit einem 20 Meter langen Kunnststoffschlauch (50 mm Dm.), den uns der Salzbergbau Altaussee zur Verfügung gestellt hatte. Mit diesem sollte das Wasser des Siphones abgeherbert werden, was erst nach mehreren kräfteraubenden Versuchen gelang. Die Schwierigkeit dabei war, den sperrigen Schlauch mit Wasser zu füllen und so den Abhebevorgang zu starten. Außerdem ist die Höhendifferenz von der Ansaugstelle zum Abfluß eher gering. Am 4 August fand dann die Einsatzbesprechung mit allen Teilnehmern statt, bei welcher alle Einzelheiten besprochen und diverse Schwierigkeiten erörtert wurden.
Am Sonntag, 5 August 1985, ist es schließlich so weit: Um 9 Uhr vormittag treffen alle Teilnehmer in Altaussee ein. Die gesamte Ausrüstung wird auf das Schnellboot der Wasserrettung Altaussee verladen und in einigen Fahrten zusammen mit der Mannschaft in die Seewiese befördert. Von Seeufer bis zur Höhle betätigen sich alle Teilnehmer als "Sherpas" und tragen in mehreren Gängen die einige hundert Kilo schwere Ausrüstung zum Höhleneingang: Scheinwerfer, Akkus, Video-Aufzeichnungsgerät, Preßluftflaschen, Helme, Tauchanzüge, Schlauchtboot, Sicherungsseile, Drahtseilleitern und vieles mehr. R.Mascha, R.Seebacher und H.Segl bilden den Vortrupp und sehen nach, wie weit der Wasserspiegel im Ostsiphon gesunken ist (der Abhebeversuch war erst am Vortag geglückt), und ob der Siphon auch für "Nichttaucher" zu befahren ist. Nun beginnt der Transport der Ausrüstung. Die Mitglieder der Mannschaft bilden immer wieder eine Kette und schaffen in schweißtreibender Arbeit die Ausrüstung durch die teilweise engen Höhlenteile des "Ostganges". Der letzte Höhlenteil vor dem Quelltopf ("Schragschacht") erweist sich wegen des glitschigen Lehmes und seiner Steilheit als sehr schwierig zu befahren und muß an einigen Stellen mit Seilsicherungen versehen werden. Endlich am eigentlichen Ziel angelangt, wird der etwa 15 Meter hohe Senkrechtabstieg zum See für die Taucher gesichert und ein Schlauchboot zu Wasser gelassen. Das boot ist für den Techniker gedacht, der mit dem Taucher über ein Kabel verbunden ist und sogar mit ihm sprechen kann. Ein Taucher schließlich (Manfred Pichler) wagt sich in das eisige Wasser (nur wenige Grad über Null) des Quelltopfes und entschwindet tief unterhalb der Betrachter dem Licht der Scheinwerfer. Reporter und Begleitmannschaft starren gebannt in den bereits nebligen Höhlenraum, in dem der fast kreisrunde Höhlensee - Durchmesser etwa 20 Meter - liegt. Ursprünglich hätten die Gespräche des Tauchers mit dem Techniker mittels Verstärker und Lautsprecher für alle hörbar gemacht werden sollen, doch irgend ein technisches Gebrechen hat das verhindert. Der Quelltopf wird bis auf einen Tiefe von 20 Meter erforscht. Auch einige Fortsetzungen bestehen, doch wegen der starken Wassertrübung ist es nicht möglich, weiter als ein paar Meter in sie vorzudringen.
H.Segl und R.Seebacher nützen die Zeit während des Tauchganges, um am gegenüberliegenden Ufer des Quelltopfes Fortsetzungen zu erkunden und gelangen nach überwindung einer ca. 10 Meter hohen Wandstufe erneut in einen Höhlenraum, der mit Wasser erfüllt ist und mit dem großen See in Verbindung steht. Eine weitere Fortsetzung kann nicht erkundet werden.
Nach Ende des Tauchganges klettert der Taucher, zitternd vor Kälte, mit letzter Kraft über die Drahtseilleiter aus dem Dom zurück. Nachdem einige (übliche) Reporterfragen beantwortet sind, tritt die Mannschaft, die stundenlang mit nassen Füßen ausgeharrt hatte, den Rückweg an und erreicht (der Siphon hatte sich nicht wieder aufgefüllt) neun Stunden nach dem Einstieg in die Höhle das Tageslicht.
Minuten später entlädt sich über der Seewiese ein heftiges Gewitter mit wolkenbruchartigen Regenfällen, und alles, was bis zu diesem Zeitpunkt noch einigermaßen trocken ist, wird vom strömenden Regen durchnäßt. Dank der Altausseer Wasserrettung funktioniert der Rücktransport klaglos, und anschließend treffen sich die Mitglieder unseres Vereines zu einem wohlverdienten Abendessen in einem Altauseer Gasthof.
Einige Tage später wird in der Fernsehsendung "österreich heute" ein lächerlicher Drei-Minuten-Bericht (!) über diese spektakuläre Neun-Stunden-Expedition ausgestrahlt. über Reportagen anderer Art ist der Redaktion der "Mitteilungen" bisher nichts bekannt.
Liste der beteiligten Personen:
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